Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges gaben die Alliierten Besatzungsmächte ab Mai 1945 Lebensmittelkarten aus – wer schwerer arbeitete, hatte Anspruch auf höhere Rationen, wer nicht so schwer arbeiten konnte, hatte das Nachsehen. Auf ärztliche Anweisung wurde bei Schwerkranken, die einen höheren Kalorienbedarf hatten, eine Ausnahme von diesem unerbittlichen Prinzip der Mangelverwaltung gemacht – sie erhielten eine »Schwerarbeiter-zulage«. Grundsätzlich erhielt man rationierte Lebensmittel in den Geschäften und Gaststätten nur, wenn man die entsprechenden Lebensmittelkartenabschnitte abgeben und zusätzlich die geforderte Bezahlung leisten konnte. Durch öffentliche Aushänge wurden an den Wochenenden die für die jeweils nächste Woche käuflichen Waren »aufgerufen«. Die Lebensmittelmarken waren nach Warengruppen aufgeteilt, beispielsweise berechtigten Brotmarken nur zum Erwerb von Brot, Fleischmarken immerhin auch zum Fisch-Einkauf. Ging eine Lebensmittelkarte verloren, dann kam dieser Verlust einer Katastrophe gleich. Und wer im Vollbesitz seiner Lebensmittelkarten war, musste erst einmal eine Verkaufsstelle finden, wo die knappe Ware seiner Einkaufsberechtigung gerade vorrätig war. Wenn man Pech hatte, hieß es nach stundenlangem Anstehen: »Ausverkauft«. Der Speiseplan sah kärglich aus: Tag für Tag dasselbe Einerlei aus Kohl und Steckrüben – am Familientisch sahen mehr hungrige Augen auf die dünne Suppe, als Fettaugen zurück. Das im Winter 1945/46 in Wiesbaden veröffentlichte Sparrezept für »falsches Schweineschmalz ohne Öl« sprach Bände. Noch weiter spitzte sich die dramatische Lage im »Hungerwinter 1946/47« zu: Höchstens 800 bis 1000 Kalorien gab es pro Tag und Person – der Normalverbrauch eines Erwachsenen beträgt aber nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) mehr als das Doppelte. Die Jagd auf Essbares dominierte das Leben, es wurde ohne Rücksicht auf Verluste gehamstert, gestohlen und gebettelt. Was immer die Menschen an Hab und Gut entbehren konnten, versuchten sie gegen etwas Essbares zu tauschen – bei den Bauern im Umland, auf den Schwarzmärkten in der Kirch- und der Langgasse. Das »Air Force Police Squadron« versuchte diesem Treiben Einhalt zu gebieten, von Zeit zu Zeit brachten die Amerikaner aber auch Lebensmittel aus überzähligen Militärbestanden zur Verteilung.