Zunächst war den Deutschen jede politische Betätigung untersagt. Dieses Verbot erzeugte hohe Reibungsverluste. Es war ein Gebot des Pragmatismus, die deutsche Bevölkerung für die Bewältigung ihrer inneren Angelegenheiten Zug um Zug in die politische Verantwortung zu nehmen und sie dabei auf die Einhaltung bestimmter Vorgaben zu verpflichten. In den Westzonen hießen diese Vorgaben Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie. Im August 1945 einigten sich sämtliche Alliierten auf der Konferenz von Potsdam auf die Zulassung von Parteien. Zulassungsvoraussetzung war eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Kontrollmächte – die Erteilung einer Lizenz.  CDU, SPD und KPD wurden am 28. September 1945 zugelassen, die Liberal-Demokratische Partei Ende Dezember, wenig später auch die Bürger- und Bauernpartei. Trotz aller Widersprüche hatte der »Antifaschismus« die Alliierten im Krieg vereint; trotz aller Widersprüche hatte der »Antifaschismus« den zivilen und militärischen Widerstand vereint. Auch die meisten Parteien teilten diese gemeinsame Haltung anfänglich. Es kam zu Gemeinschaftsaktionen, deren Trägerkreis heute zum Staunen bringt. Ab 1950 erleichterte das Ende des Lizenzzwanges die Gründung neuer Parteien. Doch Parteien waren nicht alles – der Demokratieaufbau bedurfte klarer Handlungsgrundsätze. Die Erarbeitung der Hessischen Verfassung erfolgte unter amerikanischer Aufsicht. Das mit solcher Hilfe ersonnene Landesrecht wurde von der Verfassungsberatenden Landesversammlung in Wiesbaden am 29. Oktober 1946 beschlossen. Es trat am 1. Dezember 1946 durch Volksabstimmung in Kraft. Im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte erarbeitete der in Bonn tagende Parlamentarische Rat von September 1948 bis Juni 1949 das Grundgesetz. Es wurde von allen deutschen Landtagen in den drei Westzonen (mit Ausnahme des bayerischen) angenommen und trat am 24. Mai 1949 in Kraft. Das Grundgesetz erschloss demokratisches Neuland. Artikel 1 setzte der Menschenverachtung der Nazi-Barbarei einen einzigartigen Grundsatz entgegen: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.« Auch die Garantie der Grundrechte reichte weit. Zu ihnen zählten beispielsweise die Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3), die Garantie der freien Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre (Artikel 5), das Demonstrations- und Organisationsrecht (Artikel 8 und 9). Andere Artikel dokumentierten ebenfalls ein hohes Maß an Lernfähigkeit – so die Gemeinwohlbindung des Eigentums (Artikel 14) und das Verbot von Angriffskriegen (Artikel 26). Der Abstand zwischen dem »Soll« des Verfassungsauftrages und dem »Ist« der Verfassungswirklichkeit stellt bis heute eine anspruchsvolle Herausforderung dar.